Montag, 22. August 2011
Vikram Seth - Zwei Leben
Schon vor zwei Wochen habe ich dieses Buch beendet, aber ich musste das Gelesene erst etwas sacken lassen, bevor ich jetzt meine Meinung formulieren kann.
Vikram Seth erzählt in diesem Buch die Geschichte seines Onkels Shanti und seiner Tante Henny, bei denen er als Jugendlicher längere Zeit wohnte und zu denen er so lange sie lebten eine ganz besondere Bindung hatte. Er beginnt die Geschichte mit seinen persönlichen Erfahrungen und beschreibt im ersten Teil seine Zeit mit Henny und Shanti. Mit Hilfe von Interviews mit Shanti und einem Koffer voll Korrespondenz von Henny rekonstruiert er das Leben der beiden und lässt auch viele eigene Erinnerungen einfließen.
Ich bin noch immer sehr zwiegespalten, wie ich das Buch denn nun fand. Einerseits finde ich es auch mal ganz interessant, über reale Personen zu lesen und nicht über Figuren, die nur der Fantasie des Autors entsrpingen. Andererseits müssen diese realen Personen dann auch irgendwie besonders sein, so dass es sich lohnt, über sie zu schreiben. Dieser Punkt ist für mich bei Henny und Shanti nicht ganz erfüllt. Jedes Menschenleben liefert sicherlich Erzählenswertes und wenn diese Menschen dann auch noch den zweiten Weltkrieg durchlebt haben - Henny sogar als Jüdin - gibt es wohl auch genug Stoff für ein Buch. Allerdings sind mir diese doch ganz normalen und durchschnittlichen Leben zu ausführlich erzählt.
Gerade der dritte Teil, der sich um Hennys Leben dreht und zusätzlich der ausführlichste der fünf Teile ist, konnte mich einfach nicht fesseln und kein übermäßiges Interesse in mir wecken. Da Henny schon tot war, als Vikram Seth den Entschluss fasste, ein Buch über die beiden zu schreiben, blieb ihm nur ihre Korrespondenz mit diversen Personen, um ihr Leben zu rekonstruieren. Viele Briefe sind komplett im Buch enthalten, der Autor gibt vorher aber oft noch eine kurze Zusammenfassung ab oder greift die wichtigsten Punkte heraus, so dass es fast überflüssig ist, die Briefe selbst noch zu lesen. Zusätzlich springt er oft in der Zeit und zwischen den verschiedenen Briefeschreibern hin und her, so dass alles etwas verwirrend ist.
Da ich kein Fan bin von Literatur, die vom zweiten Weltkrieg handelt, hat mir der Krieg in diesem Buch auch einmal mehr zu viel Raum eingenommen. Ich kann verstehen, dass dieser Krieg auf alle Personen, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gelebt haben, einen großen Einfluss hatte. Allerdings muss man dann nicht in so einem Buch, das ja von realen Geschehnissen handelt, Ereignisse in den dunkelsten Farben ausmalen, von denen niemand wissen kann, wie sie wirklich passiert sind. Das Leben in einem KZ und die Judenverfolgung wurden von anderen Autoren in anderen Büchern schon oft genug beschrieben, als dass man sie auch hier nochmal so in den Mittelpunkt stellen müsste. Das ist zumindest meine Meinung, da mir die Thematik langsam wirklich zu viel wird, vor allem, wenn man bei einem Buch gar nicht damit rechnet.
Die Beziehung zwischen Henny und Shanti ist noch so ein Punkt, von dem ich nicht so ganz weiß, wie ich über ihn denken soll. Einerseits kann man in Personen nicht hineinschauen und im Nachhinein auch schlecht beurteilen, wie ihre Gefühle zueinander waren. Andererseits habe ich beim Lesen mehr und mehr den Eindruck gewonnen, dass es sich - zumindest auf Hennys Seite - nur um eine Zweckehe handelte, da einfach sonst niemand aus ihrem Bekanntenkreis mehr da war. Wenn dieses Buch dann als "große Liebesgeschichte, die ein Jahrhundert umspannt" beworben wird, fühle ich mich als Leser etwas betrogen, da die große Liebe für mich nicht zu spüren war.
Positiv ist natürlich die schöne Aufmachung des Buches. Ich habe das Hardcover gelesen und da ist schon allein das Cover ein Highlight. Es ist ein kleines "Fenster" hineingeschnitten, durch das man ein Foto von Shanti und Henny sehen kann, das auf dem Vorsatzpapier aufgedruckt ist. Außerdem sind mehrere Fotos enthalten und einige Briefe oder Dokumente sind im Original abgedruckt.
Abschließend lässt sich auch noch sagen, dass Vikram Seth sicherlich ein beeindruckender Autor ist. Sprachlich ist das Buch sehr ansprechend und ich kann mir gut vorstellen, dass ein anderer Roman von ihm mich mehr überzeugen würde als Zwei Leben.
Für ein Buch, bei dem ich einige Passagen nur überflogen habe, andere dafür sehr gerne gelesen habe und das mich auch sicher nachhaltig beschäftigen wird, vergebe ich
Labels:
3 Schafe,
Weltliteratur
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen